2. First Lesson: Watch Your Mouth


"Guten Morgen Frau Pelter, entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Die Direktorin hat mich noch sprechen wollen", entschuldigte sich Jason. 
Auch Frau Pelter schien hin und weg von ihrem neuen Kollegen und lächelte ihn dümmlich an. 
"Ach, aber das macht doch nichts", beeilte sie sich zu sagen. 
Man, dieser Mann schaffte es innerhalb von Sekunden eine Schar von Frauen für sich zu gewinnen. Diese Macht schien ihm auch bewusst zu sein, als er genüsslich grinsend zu Boden sah, während er die Tür hinter sich schloss. Als er aber wieder hoch sah und sein Blick durch die Klasse wanderte, landeten seine Augen auch auf mir. 
Ich konnte spüren wie meine Wangen rot anliefen und ich sah sofort runter auf die Tischplatte vor mir. 
"Er sieht dich an", zischte Sam. 
"Tut er nicht", knurrte er.
Um uns beide irgendwie abzulenken und einer Unterhaltung aus dem Weg zu gehen, nahm ich mir einen Stift und kritzelte auf meinem Block herum. Sam wusste, dass wenn ich malte, ich in Ruhe gelassen werden wollte. Zum Glück beließ sie es auch dieses Mal dabei und ließ mich malen. 
"Gut, ich denke dann stellen Sie sich doch erst einmal selbst vor", schlug Frau Pelter vor. 
Ich hörte ein paar Schritte, noch mehr Seufzen der weiblichen Schülerschaft und das Abstellen einer Tasche. Dann war alles still.
"Rose", meinte Frau Pelter. "Würden Sie Ihrem neuen Lehrer wohl bitte mit Ihrer Aufmerksamkeit begnügen."
So viel Tadel hatte ich in ihrer Stimme noch nie zuvor vernommen, zumindest nicht wenn sie mit mir gesprochen hatte. 
"Natürlich", murmelte ich und sah sie entschuldigend an.
Als mein Blick dann auf Jason neben ihr fiel, sah ich ein amüsiertes Grinsen. Er schien sich sehr kontrollieren zu müssen nicht lauthals los zu lachen. Wütend funkelte ich ihn an. So sehr ich konnte, ohne das es Frau Pelter mitbekam. Allerdings schien ihn das nur noch mehr zu belustigen. Elender Mistkerl!
"Gut", klatschte er in die Hände und grinste nun in die Runde. "Mein Name ist Herr Burk, wie Frau Pelter euch sicher schon erzählt hat. Ich unterrichte Deutsch und Englisch und werde auch beide Fächer in eurer Klasse übernehmen. Habt ihr vielleicht noch irgendwelche Fragen an mich? Wenn, dann nur drauf los."
Er grinste so selbstsicher und einladend, dass sobald die Chance da war mindestens acht oder neun Hände in die Höhe schossen. 
"Oh", gluckste er. 
Er zeigte auf den ersten Finger in der hintersten rechten Ecke. Melina. Sofort erstrahlte ihr Gesicht und sie warf allen anderen Mädchen einen gehässigen, überheblichen Blick zu, da sie zuerst dran genommen wurde und nicht sonst irgendjemand. 
"Woher kommen Sie?", fragte sie.
"Geboren bin ich in Los Angeles. Aber ich lebe hier."
Oh's und Ah's raunten durch die Klasse. Keine Ahnung wieso, aber es war irgendwie immer etwas besonderes wenn jemand aus den USA kam. 
Herr Burk nahm die nächste Schülerin dran. Auch sie strahlte über das ganze Gesicht und versuchte sich möglichst vorteilhaft hinzusetzten, um seine volle Aufmerksamkeit zu erlangen. 
"Wie alt sind Sie?", fragte sie. 
Er gluckste und schüttelte den Kopf.
"Eigentlich fragt man so etwas ja nicht", gluckst er immer noch. "Aber weil ihr es seid." Mehrere Seufzer und Hach's folgten. "Ich bin 25. Ich konnte ein paar Jahre einsparen und habe so mein Referendariat früher beenden können als andere."
Zu den Oh's, Ah's und Hach's kamen nun auch einige Wow's. Die Hirnkapazität der Mädchen schien in diesem Raum immer mehr zu sinken, je länger Jason Burk im Raum blieb.
Es folgten noch weitere Fragen. Wieso Englisch und Deutsch? (Es waren seine beiden Landessprachen und er interessierte sich sehr für beides. Außerdem las er gern und wollte Bücher mit Schülern besprechen, sowohl auf Deutsch als auch Englisch) Wie kam er gerade hierher? (Ein ehemaliger Kollege hatte ihn auf die Stelle aufmerksam gemacht) Würde er uns nur dieses Jahr unterrichten oder danach auch noch bleiben? (Stand noch nicht fest) Aber die Frage bei der wohl alle aufhörten - auch Frau Pelter - war, als Marcel fragte, ob Herr Burk verheiratet war. Aber er gluckste wieder nur und hielt seine Hand hoch. 
"Siehst du einen Ring?", fragte er also einfach.
"Nein", erwiderte Marcel. "Haben Sie denn eine Freundin?"
Wieder sah ich, dass sein Körper erbebte vor unterdrücktem Gelächter, aber kein Laut verließ seine Lippen. 
"Ich habe viele Freundinnen, aber nein, ich bin zur Zeit nicht in einer festen Beziehung."
"Sind Sie schwul, oder was?", meinte Marcel.
Die Art wie er unseren Lehrer anblickte, verriet das er ihn reizen wollte. Aber das ließ Herr Burk - Jason, keine Ahnung wie ich ihn nennen sollte - nicht mit sich machen. 
"Nein, aber danke für dein Interesse", grinste Herr Burk. 
Und damit begannen alle herzlich zu lachen und zu kichern. Marcel lief puterrot an und versuchte vehement das Gelächter zu unterdrücken. Alles ohne Erfolg. Jason Burk schien mit sich zufrieden. 
"Gut, dann geh ich mal und ihr macht Spanisch", grinste er. 
Er nahm seine Tasche und verabschiedete sich von Frau Pelter. Als er die Tür von außen wieder zu zog, sah er noch einmal durch die Klasse und zwinkerte mir amüsiert zu, woraufhin ich ihn finster anstarrte. 
"Gut, allerdings habe ich noch etwas anzusagen", ergatterte Frau Pelter wieder die Aufmerksamkeit der Schüler. "Wir haben in zwei Monaten einen Frühjahresball. Dafür brauchen wir noch Hilfe bei der Organisation, Dekoration und und und. Falls ihr helfen möchtet, meldet euch bitte bei Frau Kall. Näheres erfahren wir dann in ungefähr einem Monat. Ort und Zeit stehen noch nicht fest. Aber es wird vermutlich der erste Freitag im März werden. Irgendwelche Fragen?"
Es gab keine. 
"Bien", meinte sie also. "Vamos a ver ..."
Und schon schaltete ich wieder ab. Generell bekam ich wenig Unterrichtstoff mit, dementsprechend waren in manchen Fächern auch meine Noten. Obwohl ich Spanisch zwischen 1 und 2 stand. Das war Vokabeln lernen, und wenn man mir eine bestimmte Liste gab, dann konnte ich die. Aber wirklich nur die, sonst kaum etwas. Und noch war Spanisch so angenehm, dass ich damit durchkam. 
Nach Spanisch hatten wir erst einmal wieder Pause. Sam und ich gingen raus an die frische Luft. Klar, es war Anfang Januar, aber der Winter war dieses - beziehungsweise letztes - Jahr nicht wirklich gekommen. Wir hatten zwischen acht und zehn Grad und einen strahlenden Sonnenhimmel mit nur hier und da ein paar Wolken. Sam und ich gingen hinter die Schule. Dort gab es eine große Wiese mit vielen Picknicktischen und Bäumen. Sie war dafür gedacht im Sommer hier essen zu können, während der Mittagspause oder auch sonst. Sam und ich setzten uns an einen der Tische. 
"Oh mein Gott, sieht er nicht toll aus?", quietschte Sam. 
"Er ist unser Lehrer", meinte ich.
[style type="italic"]Als würde das den Fakt ausstreichen, dass er wirklich toll aussah[/style], meinte eine nervige Stimme in meinem Kopf. Konnte man die nicht irgendwie abschalten?
"Na und? Das hat doch damit nichts zu tun."
"Nein, aber sollten wir ihn dann nicht als Respektsperson betrachten und nicht als heißen Kerl?"
Ja, als würde das in meiner Klasse jemals geschehen. 
"Also findest du auch, dass er heiß aussieht", lachte Sam und zeigte auf mich, als hätte sie mich bei etwas schlimmen erwischt. 
Ich verdrehte die Augen und kicherte. Typisch Sam. 
"Ja", seufzte ich.
"Aha!", schrie sie. 
"Sam! Krieg dich wieder ein!", beschwerte ich mich. "Jeder muss das zugeben, na und?"
Wieso war es für sie so wichtig, dass ich es zugab?
"Ich wollte nur, dass du es zugibst", zuckte die Schultern und grinste. 
"Und was hat dir das jetzt gebracht?", fragte ich.
Sie zog eine nachdenkliche Schnute. 
"Hmm, eigentlich nichts."
"Exakt", kicherte ich.  
"Egal", zuckte sie lachen die Schultern. 
Die Klingel läutete und wir gingen wieder rein. Im Klassenraum herrschten über all einzelne Gespräche. Gewisper, Geflüster, viele Gestiken. Normalerweise war es hier drinnen sehr laut und alle sprachen durch die Klasse. Heute schien es aber wichtig zu sein, unter sich zu bleiben. Wieso?
"Haben wir was verpasst?", fragte mich Sam.
"Habe ich mich auch gerade gefragt", murmelte ich verwundert.
Beide noch etwas verwirrt, nahmen wir unsere Plätze ein. Wir überhörten eine Unterhaltung in unserer Nähe und wie es aussah, hatte sich der Stundenplan für heute verschoben. Wir hatten jetzt Deutsch. Bei Herrn Burk. Und wenn man auch nur vom Teufel - genaugenommen - dachte, erschien er auch schon. 
"Ich schon wieder", grinste er und klopfte an die offene Tür.
Sofort kicherten alle Mädchen übertrieben laut los und ordneten ihre Sachen auf den Tischen. Hauptsache alles sah ordentlich und gut aus. 
"Guten Morgen nochmal", lachte er und breitete sich am Lehrerpult aus. 
"Guten Morgen Herr Burk", seufzte der Mädchenteil der Klasse.
Er stellte sich vor die Klasse und grinste in die Runde. Als sein Blick auf mich und meine Ecke fiel, gluckste er und versuchte es hinter seiner Hand zu verstecken. Dann räusperte er sich schnell.
"Rrhhmmm, also", gluckste er noch einmal kurz. "Damit wir uns alle etwas kennen lernen können, dachte ich mir, machen wir heute noch keinen Unterricht. Ich weiß, ihr seit Oberstufe und ich habe auch keinen Bock auf diese ganze 'Ich heiße, bin so und so alt etc.'-Scheiße, also habe ich mir etwas anderes ausgedacht."
Erneut klatschte er in die Hände und rieb sie aneinander.
"Ein paar von euch kennen vielleicht das Trinkspiel 'I've never' aus den USA?", fragte er in die Runde.
"Yeah, man!", meinten ein paar Jungs und ein paar Mädchen begannen wie wild zu kichern.
Unser Lehrer schien erfreut über die Zustimmung.
"Gut, für die, die es nicht kennen. Ich werde jedem von euch gleich 10 M&M's geben. Ja, ich weiß, eigentlich trinkt man Alkohol, aber Leute, wir sind hier in einer Schule." Ein paar Lacher, auch von den Jungs. "Gut, einer von euch wird anfangen und etwas sagen, was er noch nie gemacht hat. Alle, die es schon mal gemacht haben müssen einen M&M essen. Derjenige mit den meisten M&M's am Ende gewinnt. Simpel, oder?"
Nicken und bejahendes Gemurmel. Dann kramte Jason Burk eine Tüte voll mit M&M's aus seiner Tasche hervor und hielt sie hoch.
"Okay, um das ganze etwas interessanter zu machen", begann unser Lehrer. "Werden wir hier nach vorne zwei Mädchen und zwei Jungen setzten. Die Jungs gewinnen, wenn beide Mädchen keine M&M's mehr haben. Die Mädchen gewinnen, wenn die Jungs keine mehr haben. Alles klar?"
"Aber spielen sie nicht auch mit?", fragte Kevin.
"Klar, aber nur zu eurer Belustigung und erzählt das ja keinem meiner Kollegen", lachte er. "Gut, wählt bitte zwei Mädchen und zwei Jungen nach vorn."
Nach ewigen Diskussionen und mehrerem Hin und Her ... Gab es immer noch keine Einigung und Herr Burk musste eingreifen.
"Okay!", schrie er in der Tumult hinein. "Du, du, du und du."
Er entschied mit dem Finger und natürlich landete der letzte auf mir. Im Weg drehen zwinkerte er mir zu und gluckste wieder zu sich selbst. Wütend zerrte ich meinen Stuhl mit mir nach vorne und setzte mich zu Maia, Ben und Adam.
Dann verteilte Herr Burk an jeden von uns zehn M&M's. Ich sah ihm absichtlich nicht in die Augen, als er vor mir stand. Dann stellte er selbst sich an den Rand und zeigte auf Robert um zu beginnen. 
"Ich war noch nie betrunken auf einer Party", grinste er.
Seine Kumpel grölten, lachten und klopften ihm auf die Schulter. Zeitgleich beschuldigten sie ihn zu lügen.
"Stimmt das? Lügst du?", gluckste Herr Burk.
"Ist das wichtig?", grinste Robert.
"Okay, diese eine Aussage geht durch, aber alle anderen müssen wahr sein, okay?", grinste Herr Burk und schmiss sich einen M&M in den Mund.
Wie durch Zufall fiel sein Blick auf mich und er wartete darauf, dass ich ihm folgte. Verdammt. Während ich ihn finster an funkelte, aß ich ebenfalls einen.
"Du, Rose?", fragte Maia neben mir.
Ich zuckte die Schultern und machte mir nicht die Mühe das zu kommentieren.  
"Ich hatte noch nie Sex", meinte Lena neben Robert.
Also ging es anscheinend der Reihe nach. Keiner von uns - abgesehen von Herr Burk - aß einen M&M. 
"Habt ihr's auf mich abgesehen?", grinste er also. 
Wieder Gekicher und Augen verdrehen bei den Kerlen.
"Ich habe noch nie jemandem vom selben Geschlecht geküsst"
Abwartend sahen alle auf unseren Lehrer.
"Sorry Leute, aber da muss ich euch enttäuschen", schüttelte er den Kopf.
"Wollen Sie nicht was fragen?", fragte Adam neben mir. 
"Sicher?", fragte er.
Nein!, wollte ich schreien, aber alle nickten und grinsten ihn erwartungsvoll an. Er könnte eine einzige, witzige Frage stellen oder mir eins auswischen. 
"Ich habe noch nie bei jemandem übernachtet, dessen Name ich nicht kannte", lachte er.
Ich war die einzige, die einen M&M aß. Alle waren etwas schockiert und sahen mich erschüttert an. 
"Obwohl, ich korrigiere meine Aussage: Ich habe noch nie meinen Rausch bei jemandem ausgeschlafen, dessen Namen ich nicht kannte."
Nun grinste er mich an, nur aus dem Augenwinkel, aber dennoch war dieses schelmische Grinsen eindeutig für mich bestimmt. Seufzend aß ich also einen weiteren M&M. 
"Rose!", meinte Maia neben mir entsetzt und starrte mich schockiert an. 
"Oh, was?", regte ich mich auf. 
Wieder ein Glucksen unseres Lehrers. 
"Sollten Sie nicht irgendwie anders reagieren?", fragte Adam verwirrt. 
"Ja", stimmte Robert zu. "Und wieso haben Sie ihre Aussage geändert? Wussten Sie, dass sie beide Male einen M&M hätte essen müssen?"
Sofort verstummte sein Glucksen und er schien seinen Fehler zu bemerken. Ich hörte wie er schluckte und ich glaube, dass musste der erste Moment in seinem Leben gewesen sein, in dem er sprachlos war.

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